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Liebe Leserin, lieber Leser,
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heute ist ein grauer Oktobermorgen und in der Absicht den neuen Newsletter zu schreiben, spreche ich mir selbst Mut zu indem ich denke: „Ich freue mich, dass es grau ist, denn wenn ich mich nicht freue, ist´s trotzdem grau.“ Diese Abwandlung des Satzes "Ich freue mich, wenn es regnet …". von Karl Valentin lässt mich lachen, der Anflug von Schwere verschwindet und ich kann beginnen, indem ich kurz von meiner Auszeit berichte.
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Die Auszeit war in jeder Hinsicht gelungen: Ich war in liebster Begleitung, war locker 10 Stunden am Tag in der Natur, bin viel Rad gefahren und gewandert und habe täglich gut gegessen. Dabei habe ich neue Landschaften entdeckt und altvertraute wieder gespürt. So bin ich bestens erholt zurück und längst wieder beruflich aktiv.
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Trauer, Leid, Abschiednehmen
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Überrascht und auch sehr betroffen gemacht haben mich die Themen, die mir in den Einzelberatungen seitdem begegnen. Es sind da plötzliche Verluste, Krankheiten oder Streit und die damit verbundenen Gefühle wie Trauer, Entsetzen, Ärger, Verzweiflung oder auch Schock. Eigentlich gehören diese Themen immer zu meiner Arbeit. Aber die momentane Situation ist intensiver. "Liegt dies tatsächlich "nur" an den aktuellen Geschehen und deren Häufung?" frage ich mich.
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Denn noch immer leben wir mit der Pandemie und ihren gesellschaftlichen Veränderungen. Kürzlich zeigte mir ein 24-jähriger Student seinen Impfausweis, nur mit ihm darf er die Universität betreten und sein Studium fortsetzen, und sagte: „Wissen Sie, wie ich mich damit fühle?“ Auf meine Verneinung erklärte er: „Als wäre dies das Papier, das mich als Nichtjuden ausweist.“ Und nach einer kurzen Pause ergänzte er: „Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll.“
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Wenn ich ehrlich bin, fühlte ich mich so ratlos wie er. Seine Aussage hatte mich auch erschüttert, obwohl ich ähnliche Gedanken selbst schon gedacht hatte. Laut ausgesprochen, noch dazu von einem jungen Mann, lassen sie sich nicht mehr wegschieben. So rührte mich einerseits das politische Bewusstsein des Mannes, andererseits nahm ich Traurigkeit bei ihm und in mir wahr und dann kam der Gedanke: "Haben wir nicht alle infolge der Pandemie seit gut 1,5 Jahren tiefe Verlusten erfahren?" Neben dem realen Verlust von Menschen fallen mir spontan der Verlust sicher geglaubter politischer Regeln ein, der Verlust bisheriger Lebensgewissheiten oder schlichtweg der Verlust an Lebendigkeit. Haben wir diese Verluste überhaupt schon gespürt? Oder haben wir sie uns bisher eher gekonnt vom Leib gehalten?
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Alles zusammen bewirkt jedenfalls, dass ich mir wie selten zuvor des nahen Novembers mit den Feiertagen Allerheiligen und Allerseelen oder auch dem Volkstrauertag bewusst bin und
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biete am Samstag, den 20. November, 16-18h, die Möglichkeit zu einem Erfahrungsaustausch in der Praxis. Ich tue dies in der Annahme, dass das Teilen von Erleben und Wahrnehmung sowie das Hören der Fragen anderer in dieser anhaltend schwierigen Zeit unterstützend wirken.
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Aus dieser Annahme schöpft jedenfalls auch die neu gegründete GESTALT - Forschungsgruppe zu dem Thema NS, Shoa, transgenerationale Traumaweitergabe. Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben sich hier zusammengetan. Jeder von ihnen ist bereits auf seine Weise individuell mit dem Thema befasst. Nun machen wir gemeinsam weiter.
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Eines unserer Ziele ist es, dieses komplexe kollektive Thema in der Weiterbildung für Gestalttherapeut*innen zu etablieren, da sie zum zeitgeschichtlichen Hintergrund gehören, aus dem heraus Laura und Fritz Perls die Gestalttherapie entwickelten. Beide hatten jüdische Wurzeln und waren politisch aktiv. Bereits 1933 mussten sie vor den Nazis fliehen und gingen nach Südafrika. Von dort wanderten sie später in die USA aus.
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Mitglieder der Forschungsgruppe bieten auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gestalttherapie e.V. im Mai 2022 in Nürnberg verschiedene Seminare und Besichtigungen vor Ort. Vielleicht begegnen wir uns dort. link
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Während ich dies schreibe, wird mir immer klarer, dass wir uns gesellschaftlich wie individuell auf einem intensiven Weg der Wandlung befinden, der uns beunruhigt und umtreibt und von dem niemand weiß, wohin er uns führen wird. Ich verabschiede mich deshalb heute wie ich begonnen habe mit einem Zitat, einem irischen Reisesegen: „Möge Dein Weg Dir freundlich entgegenkommen.“
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Themen & Termine
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Onlinegruppe für Kriegsenkelinnen
Die Teilnehmerinnen, bisherige und neu dazu gekommene, haben sich im Oktober wieder getroffen. Die Themen der Töchter stehen hier im Mittelpunkt. Eine weitere, letzte Teilnehmerin darf die Gruppestärke von 8 Personen gerne noch vollenden. Das nächste Treffen ist am 8. November um 19h.
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Präsenzgruppe für Kriegsenkel*innen in Aachen
Sie pausiert gerade und wir alle freuen uns zwischenzeitlich auf neue Teilnehmer*innen.
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GESTALT – Jahresgruppe - Präsenz
Sie findet erstmals seit eineinhalb Jahren wieder in Präsenz statt. Die Vorsichtsmaßnahmen sind geregelt. Die Gruppe beginnt am 8. November und ist belegt. Die nächste GESTALT – Jahresgruppe beginnt dann im Herbst 2022.
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GESTALT – Jahresgruppe - Online
Ein Zusatzangebot, welches am Montag, den 29.11.2021 von 10-21h beginnen kann und 4-6 Teilnehmer*innen aufnimmt. Im vergangenen Jahr haben Teilnehmer*innen und ich damit sehr gute Erfahrungen gemacht. O
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Offener GESTALT - Nachmittag
Pandemie, Verluste, Trauer – was machen anhaltende Unsicherheiten und Veränderungen mit uns? Was hilft, sie meistern und dabei lebendig bleiben? 20.11.2021
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Das Kriegserbe in der Seele. Der Krieg in uns!?
Einsteigerseminar für sogenannte Kriegsenkelinnen und Kriegsenkel.
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Freitag, 18. Februar 2022 18:00 - Samstag, 19. Februar 2022 17:00
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Leitung: Luitgard Gasser, Martin Hölscher
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Luitgard Gasser Leben & Raum Am Pappelweiher 32 52066 Aachen
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